Heilpraktiker

Von Zucker, Nullen und Faxen

Heilpraktiker haben es auch nicht leicht. Sie mögen eine großen Anhängerschaft haben, aber der Rest der Bevölkerung denkt, sie seien schwach ausgebildete Quacksalber, die hilflosen Patienten völlig überteuerte Zuckerkügelchen andrehen. Das teils miese Image ihres Berufsstandes ist auch immer wieder Thema auf Heilpraktiker-Kongressen. Man kann Heilpraktikern nicht unterstellen, sie würden Kritik vollkommen ignorieren. Man muss ihnen sogar zugestehen, dass sie manchmal mit Humor auf Anfeindungen reagieren. Oder besser mit unfreiwilligem Humor. Die Deutsche Apotheker-Zeitung berichtet aktuell über den Deutschen Heilpraktikertag in Karlsruhe – reichlich unkritisch. Logisch, denn Homöopathie und deutsche Apotheken, das ist eine große Liebesgeschichte.

Dennoch gibt es in dem Beitrag ein paar sehr hübsche Bemerkungen, die einerseits für sich sprechen, andererseits zum Kommentieren einladen:

„Ein Heilpraktiker gab einen Wochenverdienst von 15.000 Euro an, ein anderer trug 2 Euro ein. Krüger vermutete, dass letzterer Kollege vielleicht die eine oder andere Null vergessen haben könnte.“ 

2 oder 15.000 – ist doch schnurz, ab D24 ist eh kein Molekül mehr nachweisbar.

„Makaber fand Krüger einen Kollegen, der ein Wochenhonorar von 2.000 Euro eintrug und gleichzeitig sagte, seine wirtschaftlichen Erwartungen hätten sich nicht erfüllt.“

Vielleicht war das die ein oder andere Null vom Kollegen oben.

„85 Prozent der Heilpraktiker wurden in entsprechenden Schulen ausgebildet, die Krügers Einschätzung nach zumindest in Berlin zum großen Teil durch Bildungsprämien des Bundesforschungsministeriums unterstützt werden.“

Hallo Bundesregierung, definiere Forschung und Bildung!

„Klar hingegen ist, dass Heilpraktiker so kommunizieren, wie sie nach ihrem Selbstverständnis therapieren – nämlich traditionell.“

Jetzt darf man gespannt sein:

„Man würde ja denken, dass nur noch wenige Menschen ein Fax haben“, sagte Krüger. Heilpraktiker seien aber sehr Fax-affin, das Gerät sei für den Berufsstand offenbar etwas ganz Wichtiges.“

Das ist rührend. Damit haben sie mich.

 

 

 

 

 

Warum Paramedizin?

Naturheilkunde, Alternativmedizin, Komplementärmedizin, Integrative Medizin, Erfahrungsmedizin. All diese Begriffe stehen für eine andere Medizin, die sich von der sog. Schulmedizin abgrenzt bzw. sie ergänzen will. Die Alternativmedizin dekoriert sich gerne mit den Begriffen „natürlich“, „ganzheitlich“, „sanft“ und „nebenwirkungsfrei“. Das klingt verlockend und einladend, unkompliziert und authentisch. Ganz anderes beim Begriff ‚Schulmedizin‘. Hier schrillen insbesondere bei Anhängern der ‚Ganzheitsmedizin‘ die Alarmglocken: Schulmedizin klingt nach stundenlangem Warten in der Arztpraxis, nach Fünf-Minuten-Medizin, Krankenhaus-Technokratie, nach maulfaulen Allgemeinmedizinern und arroganten Klinikärzten, nach jahrelangem Ärzte-Hopping, unklaren Diagnosen, Fehldiagnosen, nach vergeblicher Medikation und Goodies von Pharmaunternehmen. Das alles gibt es leider und es macht einen Teil der Unzufriedenheit mit der klassischen Medizin aus.

Aber jetzt kommt’s: Diese Kritikpunkte an der Schulmedizin machen die Alternativmedizin kein bisschen plausibler. Auch nach Jahrzehnten an Forschung und unzähligen hochwertigen Vergleichsstudien schneiden die meisten alternativmedizinischen Verfahren überraschend schlecht in puncto Wirksamkeit ab. Trotz dieses Mangels an Beweisen für die Überlegenheit der Alternativmedizin hat sie einen verblüffend guten Leumund in der Bevölkerung. Das hängt vermutlich nicht nur, aber auch mit dem Begriff ‚Alternativmedizin‘ zusammen.

Das Wort ‚Alternative‘ suggeriert allgemein, es gäbe eine passendere Option, einen glücklicheren Ausweg, eine zweite Chance. Also das, wonach wir uns alle sehnen, wenn mal wieder was gründlich vergeigt wurde. Dieser positive Sound umgibt den Begriff ‚Alternativmedizin‘ völlig zu unrecht. Das ist auch der Grund, warum ich ihn nur noch notgedrungen verwende. Denn er blendet die Schattenseiten komplett aus sowie die Tatsache, dass sich die meisten alternativen Therapien nur mit übersinnlichen Phänomenen erklären lassen. Insofern ist der Begriff ‚Paramedizin‘ fast zu treffend. Das griechische Präfix Para bedeutet „neben, darüber hinaus“. Das heißt nicht, die Paramedizin würde über die echte Medizin hinaus wirken. Es heißt, die Paramedizin stützt sich auf Erklärungen jenseits der modernen Wissenschaften. Sie bemüht magische und illusionäre Vorstellungen vom menschlichen Körper und von physikalischen Phänomenen. Oft fällt auch der Begriff ‚Pseudomedizin‘ oder ‚Pseudowissenschaft‘. Diese beanspruchen noch präziser tatsächliche Wissenschaftlichkeit, können sie aber nicht einlösen. Trotz dieses feinen Unterschied, verwende ich beide Begriffe synonym – und Paramedizin einfach lieber, weil er für mich auf den esoterischen Kern der sog. Alternativmedizin abzielt.